DR. ROLF LINNENKAMP

Dr. Rolf Linnenkamp, der bekannte Münchner Kunsthistoriker, Chefredakteur und Mitherausgeber von „Kindlers Malerei-Lexikon“ ist am 31. Mai 2003 gestorben.
Geboren 1925 in Dortmund, studierte Linnenkamp Kunstgeschichte, Archäologie, Philosophie und Soziologie in Frankfurt a.M., München und Würzburg; 1956 Promotion mit Prädikatsexamen. 1957 – 1958 war er an der Hamburger Kunsthalle tätig, wo sich seine Sonntag-Vormittag-Führungen großer Beliebtheit erfreuten; denn Linnenkamp besaß eine einzigartige Begabung, Kunstwerke so zu analysieren und allgemeinverständlich zu interpretieren, dass auch der kunstinteressierte Laie die Bedeutung von Formen und Farben, vor allem aber von Bildstrukturen und –proportionen erkennen konnte. Fasziniert von mathematischen Grundgesetzen, befasste er sich vor allem mit den klassischen Proportionssystemen und entwickelte schon 1954 – in Zusammenhang mit seiner Dissertation über die Gefallenendenkmäler Aristide Maillols – aus der eindimensionalen Fibonacci-Reihe den Goldenen Schnitt der Fläche und schließlich 1961 den Goldenen Schnitt des Kubus (das Modell befindet sich in der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft in Windhuk). In die Praxis umgesetzt wurde dieses „Linnenkampsche Gesetz“ 1961 beim Bau eines Wohnhauses durch den Münchner Architekten Hans Peter Buddeberg.

Nach Studien am Kunsthistorischen Institut in Florenz in den Jahren 1958 – 1960 kehrte Linnenkamp nach München zurück, wo er 1961 – 1968 als Chefredakteur und Mitherausgeber von „Kindlers Malerei-Lexikon“ ein heute noch unübertroffenes Standardwerk der Geschichte der Malerei schuf. 1973 erschien im Heyne-Verlag sein „Jugendstil“; 1974 bis 1979 brachte er die seit Jahrzehnten vergriffene Taschenbuch-Reihe „Heynes Stilkunde“ heraus, in der er selber die Bände „Die Gründerzeit“ (1976) und „Die Schlösser und Projekte Ludwigs II.“ (1977) übernahm. Als Chefredakteur des „Pantheon“ publizierte Linnenkamp 1981 u.a. Artikel über „Kretas minoische Götterwelt“ und „Kretas antike Geschichte von Minos bis Christos“.

Es würde zu weit führen, die zahlreichen Artikel in Fachzeitschriften (u.a. der „Weltkunst“) oder Ausstellungskatalogen bzw. seine stets neue Aspekte eröffnenden Vorträge in München (etwa bei der Siemensstiftung), Hamburg oder Recklinghausen aufzuzählen.

Mit regem Interesse und großem Engagement verfolgte und begleitete er das künstlerische Schaffen seiner Zeitgenossen (z.B. Sibylle Blumenfeld, Rolf Cavael, Günter Drebusch, Bob Gésinus, Hans Haffenrichter, Wolfgang Klähn, Palumi, Emil Scheibe oder Helmut Vakily), bei deren Vernissagen er aufgrund seiner prägnanten Werk-Interpretationen und geistreichen Bonmots ein gerngesehener Redner war. Besonders erwähnt sei hier der Eichstätter Bildhauer Alois Wünsche-Mitterecker, dessen monumentales Mahnmal im Hessental er mit großem Einsatz maßgeblich förderte (1979 fertig gestellt). Von seinem umfassenden Wissen, seiner reichen Erfahrung und großen Kennerschaft profitierte auch der Münchner Kunstverein, wo er 1968 – 1969 im Vorstand war, sowie die Ankaufskommission des Hauses der Kunst, der er viele Jahre angehörte.

Beim Besuch einer Ausstellung ist es heute für jeden Besucher selbstverständlich, dass in einem Nebenraum ein Videofilm läuft, der weitere Informationen zum Ausstellungsthema, den Künstlern bzw. Exponaten zeigt. Weithin unbekannt ist jedoch, dass Linnenkamp erstmals 1971 im Münchner Haus der Kunst zur Ausstellung „Aktiva ´71“ mit einfachsten Mitteln (Diaprojektor kombiniert mit Tonbandgerät) eine sogenannte Tonbildschau vorführte.

Rolf Linnenkamp war bis zum Schluss kreativ tätig: 1991 – 1993 erschien seine Mittelmeer-Trilogie: „Pharaonendämmerung“, „Hellenika von Persiens Gnaden“ und „Reichsrömisches Mittelmeer“; 1994 „Alle Bilderkompositionen“; 1995 „Gedanken zum Heiligen Kreuz“; 1996 „Der Goldene Schnitt des Kubus“; 1997 „Logik der Stadtplanung in Roma Imperialis“ sowie 1998 – 2000 „Logik der Bau- und Bildkunst im Vatikanstaat“ (in 4 Bänden); 2001 „Das Genie in der Bildenden Kunst“; 2002 „Logik der Platz-Baukunst in Rom“ sowie 2003, wenige Monate vor seinem Tod „Jesus Wunder und Gleichnisse – eine Gottesbeweis-Kette im Neuen Testament“; sogar in den letzten Tage arbeitete er noch an einem Manuskript mit dem Titel „Kunstkritik im Fadenkreuz“.